"Klimakleber" Maxim im Gespräch
Ansprache von Antonio Guterres:
Der Weltklimarat (aus Wikipedia)
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), deutsch Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (oft als Weltklimarat bezeichnet), wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatliche Institution ins Leben gerufen, um für politische Entscheidungsträger den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen mit dem Ziel, Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu bieten, ohne dabei Handlungsempfehlungen zu geben. … Hauptaufgabe des Ausschusses ist es, die naturwissenschaftlichen Grundlagen und den weltweiten Forschungsstand über die Auswirkungen der globalen Erwärmung und seine Risiken sowie Minderungs– und Anpassungsstrategien zusammenzutragen und aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten. Dazu beruft der IPCC tausende Wissenschaftler aus aller Welt. … Der IPCC gilt als „Goldstandard“ der Klimaforschung. Seine Sachstandsberichte werden innerhalb der Wissenschaft als glaubwürdigste und fundierteste Darstellung bezüglich des naturwissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Forschungsstandes über das Klima und seine Veränderungen sowie über Möglichkeiten des Umgangs damit betrachtet.
Nicht nur Klimaaktivisten und –aktivistinnen meinen, dass rasches Handeln mehr denn je notwendig ist. Grund genug dafür, einen Vertreter der "Letzten Generation" zu interviewen.
Wer bist Du und wofür engagierst Du Dich?
Mein Name ist Maxim und ich bin 32 Jahre alt. Ich habe einen Masterabschluss in Soziologie und schreibe aktuell an meiner Masterarbeit im Fach Soziale Arbeit und bin als Sozialarbeiter in Meidling im Bereich Gemeinwesenarbeit und Streetwork tätig.
Einen Teil meiner Zeit widme ich ehrenamtlich der Klimabewegung “Letzte Generation”. Dort beteilige ich mich einerseits regelmäßig an den bekannten Protesten auf der Straße. Ich bin aber im Hintergrund auch in der Arbeitsgruppe Vernetzung und bei der Organisation von Solidaritätsbekundungen durch sympathisierende Einzelpersonen und Gruppen tätig.
Das Ziel unserer Arbeit bei “Letzte Generation” ist es, politische Entscheidungsträger*innen zur Umsetzung von ernstgemeinten Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Beispielsweise gibt es in Österreich seit fast tausend Tagen kein Klimaschutzgesetz und die 93 Maßnahmen, die der von unserer Bundesregierung einberufene Klimarat der Bürger:innen erarbeitet hat, liegen seither unbeachtet in einer Schublade.
Solange sich an dieser politischen Praxis nichts ändert, werde ich weiterhin protestieren und freie Ressourcen in unsere Bewegung investieren.
Einen Teil meiner Zeit widme ich ehrenamtlich der Klimabewegung “Letzte Generation”. Dort beteilige ich mich einerseits regelmäßig an den bekannten Protesten auf der Straße. Ich bin aber im Hintergrund auch in der Arbeitsgruppe Vernetzung und bei der Organisation von Solidaritätsbekundungen durch sympathisierende Einzelpersonen und Gruppen tätig.
Das Ziel unserer Arbeit bei “Letzte Generation” ist es, politische Entscheidungsträger*innen zur Umsetzung von ernstgemeinten Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Beispielsweise gibt es in Österreich seit fast tausend Tagen kein Klimaschutzgesetz und die 93 Maßnahmen, die der von unserer Bundesregierung einberufene Klimarat der Bürger:innen erarbeitet hat, liegen seither unbeachtet in einer Schublade.
Solange sich an dieser politischen Praxis nichts ändert, werde ich weiterhin protestieren und freie Ressourcen in unsere Bewegung investieren.
Was bewegt Dich dazu, Dich solchen Gefahren auszusetzen?
Natur– und Umweltschutz waren schon seit meiner Jugend Themen, die mich bewegten und nach denen ich mein individuelles Handeln ausgerichtet habe. Anfang des Jahres hat dann die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Bericht des Weltklimarats zur Entscheidung geführt, mich politisch zu engagieren. Der Weltklimarat prognostiziert jene extremen Auswirkungen auf das Wetter, deren Anfänge wir bereits spüren. Er prognostiziert aber auch gesellschaftliche Veränderungen, die damit in Zusammenhang stehen. Mich beängstigt vor allem die Vorstellung der politischen Folgen der großen Zahl an Menschen, die aufgrund der Klimakrise aus ihrer Heimat flüchten müssen. Ich denke dabei daran, wie vertriebene Menschen bereits heute von rechtspopulistischen Politiker*innen genutzt werden, um die politische Stimmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ich möchte mir gar nicht ausdenken, was passieren würde, wenn wir in der Klimapolitik so weitermachen wie bisher. Wenn in Zukunft auch noch Kriege um Wasser– und Nahrungsmittelversorgung geführt werden, dann fürchte ich, werden unzählige Menschen sterben und leiden und die liberalen und demokratischen Werte unserer Gesellschaft vollends in den Hintergrund geraten. In so einer Welt möchte ich nicht leben.
Hast Du da gar keine Angst – ist schon einmal was passiert?
Doch ich hatte bei meinen ersten Protesten Angst. Bei unseren Protesten gibt es immer wieder gewaltvolle Zwischenfälle. Wenn wir uns dem fossilen System in den Weg stellen, indem wir uns friedlich auf die Straße setzen, fühlen sich viele Menschen gestört. Das verstehe ich und es tut mir leid, diese Menschen zu stören. Das Problem ist, dass weniger störende Protestformen wie etwa angemeldete Demos oder Unterschriftenaktionen nicht ausgereicht haben, unsere Regierung zum Handeln zu bringen. Das Resultat des Klima–Volksbegehrens war der von der Regierung einberufene Klimarat der Bürger*innen. Keine der 93 Empfehlungen an die Regierung wurde umgesetzt. Ich frage mich, ob der Klimarat nur eingesetzt wurde, um den Schein zu wahren, etwas für den Klimaschutz zu tun? Daher sehe ich keinen anderen Weg als den Alltag so zu stören, dass die Störung nicht mehr ignoriert werden kann.
Mir selbst ist zum Glück noch nie etwas passiert. Ich wurde einmal von einem Autofahrer von der Straße geschoben, aber im Vergleich zu anderen Vorfällen ist das nicht schlimm.
Ich weiß aber natürlich, dass immer etwas passieren kann. Dementsprechend nervös bin ich am Vorabend von Protesten. Ich mache mir dann Sorgen um mich und die anderen Protestierenden. Menschen wurden bereits mit Wasser übergossen, angespuckt, geschlagen und getreten. Und auch die Interaktionen mit der Polizei und der anschließende Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum sind nicht angenehm und im schlimmsten Fall übergriffig und entwürdigend. Aber meine Sorgen gelten auch jenen, denen wir uns in den Weg stellen. Ich möchte nicht, dass die Menschen zu spät in die Arbeit kommen und Probleme mit ihren Vorgesetzten bekommen, oder dass sie Arzttermine verpassen oder auf eine andere Art in ihrem Alltag eingeschränkt werden. Sie erfüllen alle nur ihre Pflicht und unsere Proteste richten sich nicht gegen den oder die Einzelne*n sondern adressieren die Politik und Gesellschaft als Ganzes.
Oft schlafe ich vor Protesten nicht gut, weil ich mir über diese Dinge Gedanken mache. Mitunter kommen dann auch Zweifel auf, vor allem weil es mir wirklich schwer fällt, mich so viel Wut und Aggression auszusetzen. Von meinem Naturell her bin ich normalerweise sehr harmoniebedürftig und eher konfliktscheu. Die Sorge um unsere Zukunft im Angesicht der Klimakrise treibt mich dazu, diesen Schritt zu gehen. Auch während den Protesten ist es manchmal schwierig, nicht einzuknicken. Wenn ich von mehreren Personen gleichzeitig angeschrien und beschimpft werde und im Hintergrund die Hupen zu hören sind, bin ich meistens sehr froh, wenn endlich die Polizeisirene zu hören ist. Wenn die Polizei eintrifft, sind wir wenigstens vor Angriffen von Autofahrer*innen geschützt.
In Wien werden wir nach den Protesten in der Regel ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) gebracht, wo wir dann einige Stunden festgehalten werden. Auch das ist nicht angenehm und zehrt an den Nerven. Leider kommt es vor allem im PAZ immer wieder zu unangenehmen Situationen mit unprofessionellen Beamt*innen und zum Teil illegalen Repressionen und Einschüchterungsversuchen. Kolleg*innen wurden gezwungen, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und Mahlzeiten oder Hygieneartikel werden manchmal vorenthalten.
Ende September war ich zum ersten Mal vor Gericht. Ich habe versucht dem Richter klarzumachen, dass unsere Proteste im Angesicht des Notstands, der von der Klimakrise ausgeht, verhältnismäßig und damit laut unserer Verfassung legal sind. Leider sind die Richter in Österreich bisher noch nicht bereit, dies einzugestehen. Daher muss ich mit Verwaltungsstrafen von 300 bis 400 Euro pro Protest rechnen. Als Sozialarbeiter habe ich kein besonders hohes Gehalt und muss mir daher genau überlegen, wie oft ich in den Protest gehen kann. Manche Kolleg*innen sind schon einen Schritt weitergegangen und werden ihre Strafen in Form von Ersatzfreiheitsstrafen absitzen. Die Repression, mit der uns der Staat begegnet, ist absolut unverhältnismäßig. Wir setzen uns auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit dem Grundsatz der 100 %–igen Gewaltfreiheit für eine lebenswerte Zukunft für uns alle ein.
Mir selbst ist zum Glück noch nie etwas passiert. Ich wurde einmal von einem Autofahrer von der Straße geschoben, aber im Vergleich zu anderen Vorfällen ist das nicht schlimm.
Ich weiß aber natürlich, dass immer etwas passieren kann. Dementsprechend nervös bin ich am Vorabend von Protesten. Ich mache mir dann Sorgen um mich und die anderen Protestierenden. Menschen wurden bereits mit Wasser übergossen, angespuckt, geschlagen und getreten. Und auch die Interaktionen mit der Polizei und der anschließende Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum sind nicht angenehm und im schlimmsten Fall übergriffig und entwürdigend. Aber meine Sorgen gelten auch jenen, denen wir uns in den Weg stellen. Ich möchte nicht, dass die Menschen zu spät in die Arbeit kommen und Probleme mit ihren Vorgesetzten bekommen, oder dass sie Arzttermine verpassen oder auf eine andere Art in ihrem Alltag eingeschränkt werden. Sie erfüllen alle nur ihre Pflicht und unsere Proteste richten sich nicht gegen den oder die Einzelne*n sondern adressieren die Politik und Gesellschaft als Ganzes.
Oft schlafe ich vor Protesten nicht gut, weil ich mir über diese Dinge Gedanken mache. Mitunter kommen dann auch Zweifel auf, vor allem weil es mir wirklich schwer fällt, mich so viel Wut und Aggression auszusetzen. Von meinem Naturell her bin ich normalerweise sehr harmoniebedürftig und eher konfliktscheu. Die Sorge um unsere Zukunft im Angesicht der Klimakrise treibt mich dazu, diesen Schritt zu gehen. Auch während den Protesten ist es manchmal schwierig, nicht einzuknicken. Wenn ich von mehreren Personen gleichzeitig angeschrien und beschimpft werde und im Hintergrund die Hupen zu hören sind, bin ich meistens sehr froh, wenn endlich die Polizeisirene zu hören ist. Wenn die Polizei eintrifft, sind wir wenigstens vor Angriffen von Autofahrer*innen geschützt.
In Wien werden wir nach den Protesten in der Regel ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) gebracht, wo wir dann einige Stunden festgehalten werden. Auch das ist nicht angenehm und zehrt an den Nerven. Leider kommt es vor allem im PAZ immer wieder zu unangenehmen Situationen mit unprofessionellen Beamt*innen und zum Teil illegalen Repressionen und Einschüchterungsversuchen. Kolleg*innen wurden gezwungen, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und Mahlzeiten oder Hygieneartikel werden manchmal vorenthalten.
Ende September war ich zum ersten Mal vor Gericht. Ich habe versucht dem Richter klarzumachen, dass unsere Proteste im Angesicht des Notstands, der von der Klimakrise ausgeht, verhältnismäßig und damit laut unserer Verfassung legal sind. Leider sind die Richter in Österreich bisher noch nicht bereit, dies einzugestehen. Daher muss ich mit Verwaltungsstrafen von 300 bis 400 Euro pro Protest rechnen. Als Sozialarbeiter habe ich kein besonders hohes Gehalt und muss mir daher genau überlegen, wie oft ich in den Protest gehen kann. Manche Kolleg*innen sind schon einen Schritt weitergegangen und werden ihre Strafen in Form von Ersatzfreiheitsstrafen absitzen. Die Repression, mit der uns der Staat begegnet, ist absolut unverhältnismäßig. Wir setzen uns auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit dem Grundsatz der 100 %–igen Gewaltfreiheit für eine lebenswerte Zukunft für uns alle ein.
Was war die positivste Rückmeldung auf Deine Aktion?
Für mich persönlich ist es sehr wichtig, mir der Unterstützung vieler meiner Freunde und eines Großteils meiner Familie sicher sein zu können. Ich glaube, wenn ich auch in meinem privaten Umfeld nur auf Ablehnung und Unverständnis stoßen würde, könnte ich das alles nicht. Am berührendsten sind für mich Solidaritätsbekundungen auf der Straße. Wenn wir am Zebrastreifen sitzen und von Menschen beschimpft werden und die Aggressionen aushalten müssen, dann ist es enorm stärkend, wenn ab und zu ein Radfahrer oder eine Passantin etwas Positives ruft oder unterstützend in die Hände klatscht und sich bedankt. Das gibt wirklich Kraft und erinnert daran, dass wir nicht allein sind und dass der Rückhalt und das Verständnis in der Bevölkerung größer ist, als es manchmal den Anschein hat.
Und auch aus meiner Arbeit in der Vernetzung–AG kann ich von positiven Rückmeldungen berichten. Wenn wir mit Organisationen, Institutionen oder prominenten Einzelpersonen sprechen, wird sehr klar, dass viele Menschen hinter uns und unserem Anliegen stehen.
Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Partnerin während unserem Sommerurlaub in einem Gasthaus im Salzkammergut essen. Irgendwann waren außer uns keine Gäste mehr da und wir führten mit der Wirtin, ihrem Koch und dem Lehrling Smalltalk über Ernährung, Gastronomie und andere Themen. Das Gespräch war sehr angenehm und von gegenseitiger Sympathie geprägt. Irgendwann erwähnten wir unsere Arbeit bei “Letzte Generation”. Unsere Gastgeber*innen waren zuerst sehr erschreckt davon, dass wir zu den sogenannten Klimaklebern gehören. Wir sind dann bis spät in der Nacht zusammengesessen und haben sehr ausgiebig über Argumente dafür und dagegen und über Gemeinsamkeiten diskutiert. Am Ende des Abends sind wir – auch wenn wir uns über die Protestform nicht zu 100 % einig waren – mit dem Gefühl verstanden worden zu sein– nach Hause gegangen.
Und auch aus meiner Arbeit in der Vernetzung–AG kann ich von positiven Rückmeldungen berichten. Wenn wir mit Organisationen, Institutionen oder prominenten Einzelpersonen sprechen, wird sehr klar, dass viele Menschen hinter uns und unserem Anliegen stehen.
Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Partnerin während unserem Sommerurlaub in einem Gasthaus im Salzkammergut essen. Irgendwann waren außer uns keine Gäste mehr da und wir führten mit der Wirtin, ihrem Koch und dem Lehrling Smalltalk über Ernährung, Gastronomie und andere Themen. Das Gespräch war sehr angenehm und von gegenseitiger Sympathie geprägt. Irgendwann erwähnten wir unsere Arbeit bei “Letzte Generation”. Unsere Gastgeber*innen waren zuerst sehr erschreckt davon, dass wir zu den sogenannten Klimaklebern gehören. Wir sind dann bis spät in der Nacht zusammengesessen und haben sehr ausgiebig über Argumente dafür und dagegen und über Gemeinsamkeiten diskutiert. Am Ende des Abends sind wir – auch wenn wir uns über die Protestform nicht zu 100 % einig waren – mit dem Gefühl verstanden worden zu sein– nach Hause gegangen.
Was magst Du unseren Leser*innen mitgeben?
Wir haben keine Zeit mehr. Angemeldete Demos, Unterschriften sammeln und das Achten auf den individuellen CO2 Fußabdruck werden den drohenden Klimakollaps nicht abwenden können. Die Geschichte hat uns gelehrt: wenn wir gemeinsam als große Masse in den friedlichen zivilen Widerstand gehen sind schnelle und radikale gesellschaftliche Veränderungen möglich. Der Weltklimarat sagt uns, dass die Entscheidungen, die in diesem Jahrzehnt getroffen werden, die Bedingungen bestimmen, unter denen Menschen in Zukunft leben werden. Wir müssen jetzt handeln! Aufgeben dürfen wir erst, wenn das Zeitfenster zum Handeln geschlossen ist. Gemeinsam müssen wir zu wirksamen Mitteln greifen, und zwar mit möglichst breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft. Sämtliche Personen und Institutionen, die unsere Werte teilen, sind eingeladen, sich mit uns in den Protest zu begeben – oder, falls das nicht möglich ist, im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten.