Saatgut: 139 Organisationen und 160.000 Bürger:innen appellieren an EU-Landwirtschafts-Minister:innen
Brüssel, Schiltern –139 Organisationen aus 23 europäischen Ländern haben sich gestern in einem offenen Brief an die 27 EU-Landwirtschafts-Minister:innen sowie an den neuen EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi gewandt. Gemeinsam fordern sie dringende Verbesserungen beim EU-Saatgutrecht, das am 9. und 10. Dezember 2024 bei der nächsten Ratssitzung auf der Tagesordnung steht. „Der aktuelle Gesetzesvorschlag bedroht die Vielfalt unserer Kulturpflanzen sowie das Recht unserer Bäuer:innen auf ihr eigenes Saatgut massiv“, warnen die Organisationen, gemeinsam mit über 160.000 Bürger:innen aus ganz Europa, die die Petition „Hoch die Gabeln für die Vielfalt“ (www.hochdiegabeln.at) unterschrieben haben.
Breite Unterstützung aus der Zivilgesellschaft
Die unterzeichnenden 139 Organisationen sind zivilgesellschaftliche und bäuerliche Initiativen, regionale Saatgut-Betriebe sowie Naturschutz- und Entwicklungsorganisationen. Aus Österreich unterstützen elf Organisationen den Appell: ARCHE NOAH, BirdLife, Brot für die Welt, Demeter, Die Umweltberatung, Dreikönigsaktion, Erde und Saat, FIAN, Global 2000, Sortenwerkstatt und Welthaus Diözese Graz-Seckau.
Die Organisationen erheben vier Forderungen zum neuen EU-Saatgutrecht:
Gefahr für die europäische Landwirtschaft
Der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission gefährdet die europäische Landwirtschaft. Erstmals sollen Aktivitäten zur Rettung seltener Sorten wie die Weitergabe von Edelreisern seltener Apfelbäume oder von Saatgut gefährdeter Bohnen-Sorten als „Vermarktung“ reguliert werden. „Quer durch Europa engagieren sich Gärtner:innen und Bäuer:innen oft ehrenamtlich für die Rettung der Vielfalt für künftige Generationen. Diese Menschen leisten viel für unsere Ernährungssicherheit. Dafür werden sie mit komplexen Vorschriften bestraft, die für den kommerziellen Saatgut-Markt gedacht sind“, sagt Magdalena Prieler, Expertin für Saatgutpolitik bei ARCHE NOAH.
Auch das im Völkerrecht verankerte Menschenrecht von Bäuer:innen, ihr eigenes Saatgut weiterzugeben, wird durch den Gesetzesentwurf eingeschränkt. „Lokales, angepasstes Saatgut sichert vor allem in Zeiten des Klimawandels die Absicherung von Ernten, da es meist viel trockenheitsresistenter ist und keine zusätzlichen Kosten für den Kauf oder auch notwendige Düngemittel entstehen. Es sichert das Überleben der ländlichen Bevölkerung im globalen Süden“ sagt Mag. Sigrun Zwanzger, Geschäftsführer-Stellvertreterin, Welthaus der Diözese Graz-Seckau. „Das Menschenrecht auf Nahrung ist untrennbar mit kleinbäuerlichen Saatgutsystemen verbunden. Die Vorschläge der EU-Kommission sind daher kein Beitrag zu Ernährungssicherheit, sondern bedrohen vielmehr die Ernährungssouveränität bäuerlicher Produzent:innen in Europa ebenso wie im Globalen Süden“, sagt Tina Wirnsberger, Referentin für kleinbäuerliche Rechte bei FIAN.
Hintergrund: EU-Saatgutrecht in der Diskussion
Die EU-Kommission hat im Juli 2023 einen Entwurf für eine Neuregelung der Erzeugung und Vermarktung von Saatgut und Vermehrungsmaterial (z.B. Edelreiser oder Saatkartoffeln) vorgelegt. Im April 2024 forderte das EU-Parlament Verbesserungen, um landwirtschaftliche Vielfalt und bäuerliche Rechte zu schützen. Die Beratungen der Landwirtschafts-Minister:innen dauern noch an. Erst nach einem Beschluss im Agrar-Rat starten die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament voraussichtlich im Frühjahr 2025. „Vielfältiges Saatgut ist gerade für die Bio-Landwirtschaft im Hinblick auf hofeigene bzw. standortangepasste Sorten und der damit verbundenen Resilienz von essentieller Bedeutung. Diese Vielfalt darf nicht durch neue Regulierungen oder überbordende Bürokratie gefährdet werden“, kommentiert Ing. Matthias Böhm, Obmann der Initiative Erde & Saat.
Der gemeinsame Brief der 139 Organisationen richtet sich an die EU-Landwirtschafts-Minister:innen, den zuständigen EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi, den neuen Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen sowie die Mitglieder des Landwirtschafts- und Umweltausschusses des EU-Parlaments. Der Appell wurde gemeinsam mit dem Buch “Eating to Extinction: The World's Rarest Foods and Why We Need to Save Them” von Dan Saladino verschickt. Es erzählt die Geschichten gefährdeter Kulturpflanzen-Sorten aus aller Welt und unterstreicht die Bedeutung pflanzengenetischer Vielfalt: Diese Sorten sind nicht nur Teil unserer Geschichte und Esskultur, sondern auch der Schlüssel zu einer widerstandsfähigen Landwirtschaft in Zeiten der Klimakrise. „Gefährdeten Sorten enthalten wichtige Eigenschaften, die es unseren Landwirt:innen ermöglichen könnten, sich an veränderte und extremere Wetterbedingungen anzupassen. Ihr Überleben hängt buchstäblich an einem seidenen Faden – einem Faden, der leicht reißen kann, wenn neue Gesetze oder Vorschriften den Wert dieser Vielfalt nicht vollständig berücksichtigen”, beschreibt Dan Saladino den Wert der Vielfalt.
„Als breites Bündnis fordern wir Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und seine 26 Kolleg:innen auf, dem Druck der Agrar-Industrie zu widerstehen, und die Grundlage für ein nachhaltiges, widerstandsfähiges und vielfältiges Lebensmittelsystem zu schaffen“, so die unterzeichnenden Organisationen.
Zum offenen Brief: www.arche-noah.at/media/offener_brief_zu_pflanzlichem_vermehrungsmaterial.pdf
Breite Unterstützung aus der Zivilgesellschaft
Die unterzeichnenden 139 Organisationen sind zivilgesellschaftliche und bäuerliche Initiativen, regionale Saatgut-Betriebe sowie Naturschutz- und Entwicklungsorganisationen. Aus Österreich unterstützen elf Organisationen den Appell: ARCHE NOAH, BirdLife, Brot für die Welt, Demeter, Die Umweltberatung, Dreikönigsaktion, Erde und Saat, FIAN, Global 2000, Sortenwerkstatt und Welthaus Diözese Graz-Seckau.
Die Organisationen erheben vier Forderungen zum neuen EU-Saatgutrecht:
- Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der lokal angepassten Kulturpflanzenvielfalt muss oberste Priorität haben!
- Völkerrecht sichern: Ernte, Weitergabe, Tausch und Verkauf von eigenem Saatgut müssen für Bäuer:innen und Gärtner:innen legal möglich sein!
- Die Vermarktung von vielfältigen und lokal angepassten Sorten durch regionale Saatgut-Produzent:innen muss erleichtert werden!
- Neu zugelassene Sorten dürfen nicht von Pestiziden oder synthetischen Düngemitteln abhängig sein!
Gefahr für die europäische Landwirtschaft
Der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission gefährdet die europäische Landwirtschaft. Erstmals sollen Aktivitäten zur Rettung seltener Sorten wie die Weitergabe von Edelreisern seltener Apfelbäume oder von Saatgut gefährdeter Bohnen-Sorten als „Vermarktung“ reguliert werden. „Quer durch Europa engagieren sich Gärtner:innen und Bäuer:innen oft ehrenamtlich für die Rettung der Vielfalt für künftige Generationen. Diese Menschen leisten viel für unsere Ernährungssicherheit. Dafür werden sie mit komplexen Vorschriften bestraft, die für den kommerziellen Saatgut-Markt gedacht sind“, sagt Magdalena Prieler, Expertin für Saatgutpolitik bei ARCHE NOAH.
Auch das im Völkerrecht verankerte Menschenrecht von Bäuer:innen, ihr eigenes Saatgut weiterzugeben, wird durch den Gesetzesentwurf eingeschränkt. „Lokales, angepasstes Saatgut sichert vor allem in Zeiten des Klimawandels die Absicherung von Ernten, da es meist viel trockenheitsresistenter ist und keine zusätzlichen Kosten für den Kauf oder auch notwendige Düngemittel entstehen. Es sichert das Überleben der ländlichen Bevölkerung im globalen Süden“ sagt Mag. Sigrun Zwanzger, Geschäftsführer-Stellvertreterin, Welthaus der Diözese Graz-Seckau. „Das Menschenrecht auf Nahrung ist untrennbar mit kleinbäuerlichen Saatgutsystemen verbunden. Die Vorschläge der EU-Kommission sind daher kein Beitrag zu Ernährungssicherheit, sondern bedrohen vielmehr die Ernährungssouveränität bäuerlicher Produzent:innen in Europa ebenso wie im Globalen Süden“, sagt Tina Wirnsberger, Referentin für kleinbäuerliche Rechte bei FIAN.
Hintergrund: EU-Saatgutrecht in der Diskussion
Die EU-Kommission hat im Juli 2023 einen Entwurf für eine Neuregelung der Erzeugung und Vermarktung von Saatgut und Vermehrungsmaterial (z.B. Edelreiser oder Saatkartoffeln) vorgelegt. Im April 2024 forderte das EU-Parlament Verbesserungen, um landwirtschaftliche Vielfalt und bäuerliche Rechte zu schützen. Die Beratungen der Landwirtschafts-Minister:innen dauern noch an. Erst nach einem Beschluss im Agrar-Rat starten die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament voraussichtlich im Frühjahr 2025. „Vielfältiges Saatgut ist gerade für die Bio-Landwirtschaft im Hinblick auf hofeigene bzw. standortangepasste Sorten und der damit verbundenen Resilienz von essentieller Bedeutung. Diese Vielfalt darf nicht durch neue Regulierungen oder überbordende Bürokratie gefährdet werden“, kommentiert Ing. Matthias Böhm, Obmann der Initiative Erde & Saat.
Der gemeinsame Brief der 139 Organisationen richtet sich an die EU-Landwirtschafts-Minister:innen, den zuständigen EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi, den neuen Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen sowie die Mitglieder des Landwirtschafts- und Umweltausschusses des EU-Parlaments. Der Appell wurde gemeinsam mit dem Buch “Eating to Extinction: The World's Rarest Foods and Why We Need to Save Them” von Dan Saladino verschickt. Es erzählt die Geschichten gefährdeter Kulturpflanzen-Sorten aus aller Welt und unterstreicht die Bedeutung pflanzengenetischer Vielfalt: Diese Sorten sind nicht nur Teil unserer Geschichte und Esskultur, sondern auch der Schlüssel zu einer widerstandsfähigen Landwirtschaft in Zeiten der Klimakrise. „Gefährdeten Sorten enthalten wichtige Eigenschaften, die es unseren Landwirt:innen ermöglichen könnten, sich an veränderte und extremere Wetterbedingungen anzupassen. Ihr Überleben hängt buchstäblich an einem seidenen Faden – einem Faden, der leicht reißen kann, wenn neue Gesetze oder Vorschriften den Wert dieser Vielfalt nicht vollständig berücksichtigen”, beschreibt Dan Saladino den Wert der Vielfalt.
„Als breites Bündnis fordern wir Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und seine 26 Kolleg:innen auf, dem Druck der Agrar-Industrie zu widerstehen, und die Grundlage für ein nachhaltiges, widerstandsfähiges und vielfältiges Lebensmittelsystem zu schaffen“, so die unterzeichnenden Organisationen.
Zum offenen Brief: www.arche-noah.at/media/offener_brief_zu_pflanzlichem_vermehrungsmaterial.pdf